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WIE ALLES BEGANN

DIE GESCHICHTE DER VILLA FRIED

ERBAUT

Geschichte Villa Fried

EIGENTÜMER

WOHNUNGEN

ECKDATEN:

- Erbauung der Villa: 1878 von Peter Carl Jenny

- Kauf der der Villa: 1968 von der Familie Olga & Paul Fried

- Aktuelle Besitzer:in: Silvia & Beat Fried

- Übernahme der Vermietung: 2023 von Isabella & Adrian Fried

DIE GESCHICHTE DER FAMILIE JENNY

Die Geschichte der Familie Jenny ist eng mit der Konditorei-Kunst verbunden. Peter J. Jenny aus Pontresina, ein talentierter Zuckerbäcker, reiste durch Osteuropa und gründete schliesslich ein Café in Stettin (Preussen). 

 

Sein Sohn, Eduard Jenny, wurde am 7. Juni 1826 in Pontresina geboren. Im zarten Alter von 16 Jahren begann Eduard seine Lehre in der Familienkonditorei „Gebrüder Jenny" in Stettin und trat damit in die Fussstapfen seines Vaters. Um 1850 übernahmen Eduard und sein älterer Bruder Peter Alexander die Leitung der Konditorei von ihrem Vater und führten das Geschäft an der Oderstrasse 12 in Stettin weiter. 

 

Die Konditorei „Gebrüder Jenny" in Stettin war bekannt für ihre grosse Auswahl an süssen Köstlichkeiten, Likören und Limonaden. Die Kunden konnten hier zum Beispiel ein „Elexir Stomachique" oder einen „Doctor-Liquer a la Josty" erwerben.

 

Zur Ausstattung der Konditorei gehörten auch ein Rauch- und Lese-Salon mit 120 in- und ausländischen Zeitungen. Wer wollte, konnte sich an einem der vier Französischen Billardtische die Zeit vertreiben.

 

Im Dezember 1860 verkaufte Peter Alexander Jenny, der es vorzog, nach Zürich zurückzukehren, seine Hälfte des Geschäfts für 10'000 preussische Thaler an seinen Bruder Eduard. Die Schwester der beiden Brüder, Uorschla Jenny, führte zur gleichen Zeit mit ihrem Ehemann Peter Gilly aus Madulain eine Konditorei in Modena in Italien.

 

Der Konditor Eduard Jenny heiratete am 21. September 1854 Carolina Luisa Zamboni aus Bever. Zwei Jahre später verstarb Carolina zwanzig Tage nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Peter Carl. Annas, Carolinas jüngere Schwester, übernahm daraufhin die Erziehung ihres Neffen in Stettin. Später heiratete Eduard Anna.

 

Diese Ehe war jedoch nicht von Glück gekrönt und wurde 1867 offiziell geschieden.

 

Peter Carl Jenny kehrte mit seiner Stiefmutter Anna ins Engadin nach Bever zurück, wo sie ihn alleine grosszog. Eduard Jenny hatte bereits 1864 ein Testament verfasst, um im Falle seines Todes das Sorgerecht für Peter Carl und die Zukunft seiner Geschäfte zu regeln. Anna erhielt das Sorgerecht für Peter Carl, und zusätzlich wurden für ihn drei Vormunde bestimmt.  Das Testament legte auch fest, dass sein Bruder Peter Alexander die Geschäftsführung in Stettin übernehmen sollte, bis Peter Carl alt genug war, um in das väterliche Geschäft einzutreten. Ein Jahr später, 1865, starb Eduard Jenny im Alter von nur 42 Jahren auf einer Reise nach Norwegen.

 

Nach seiner Schulzeit in Zürich absolvierte Peter Carl seine Konditorlehre in Genf. Um das Jahr 1876 übernahm er das Café in Stettin.  Er fühlte sich jedoch im Ausland unwohl und hatte keine Freude am Konditorberuf. Bereits 1878 kehrte er nach Bever zurück.  Wie viele Familien behielten die Jennys die Konditorei in Stettin weiterhin in ihrem Besitz, quasi als zweites Standbein im Ausland.

 

Peter Carl liess sich in Bever eine prächtige Villa im klassizistischen Stil mit einem grossen Park bauen und brachte so städtisches Flair in das Engadiner Dorf. Diese Zuckerbäcker-Villa wurde 1968 von der Familie Jenny an die Familie Fried verkauft. Damit endete eine weitere Zuckerbäckerfamiliendynastie, deren Zeitzeugen ihre beeindruckenden Herrschaftshäuser sind.

ZUCKERBÄCKER IM ENGADIN

Graubünden: Eine Region mit bewegter Vergangenheit und vielfältiger Kultur
 
Graubünden, mit seinen 150 Tälern, drei Sprachen und wichtigen Passverbindungen nach Deutschland, Österreich und Italien, blickt auf eine lange Geschichte der Migration zurück. Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert war die Auswanderung für viele Menschen in Graubünden eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Missernten, Epidemien und Überbevölkerung verstärkten die saisonale und periodische Auswanderung.
 
Jede Region Graubündens entwickelte ihre eigene spezifische Form der Auswanderung. Während im Bündner Oberland und in Mittelbünden der Solddienst im Vordergrund stand, wanderten aus dem Misox und dem Calancatal viele Baumeister und Stukkateure aus. Im Engadin, Puschlav, Bergell, Münstertal und Albulatal zog es viele Menschen in die Ferne, um als Zuckerbäcker und Cafétiers ihr Glück zu suchen.
 
Im Wandel der Zeiten: Vom Freistaat zum Kanton

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war Graubünden kein einheitlicher Kanton, sondern ein loser Zusammenschluss von drei unabhängigen Bünden: dem Zehngerichtebund, dem Grauen Bund
und dem Gotteshausbund. Diese Bünde waren lose miteinander verbunden
und verwalteten ihre Gebiete weitgehend selbstständig.

 
Im Jahr 1512 eroberten die Bündner das Veltlin, Chiavenna und Bormio, die fortan als Untertanengebiete galten. Diese Gebiete waren für Graubünden von grosser wirtschaftlicher Bedeutung, da sie wichtige Handelswege kontrollierten und zur Versorgung des Kantons beitrugen.
 
Die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege brachten jedoch tiefgreifende Veränderungen für die politische Landschaft Europas und auch für Graubünden. Napoleon Bonaparte forderte die Gleichberechtigung der Untertanengebiete, was die Bündner jedoch ablehnten. Daraufhin gliederte Napoleon das fruchtbare Veltlin sowie die Region Chiavenna Italien an.
 
Graubünden als Teil der Schweiz: Eine neue Ära beginnt

Das Jahr 1803 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte Graubündens. Nach Jahrhunderten der Unabhängigkeit als loser Zusammenschluss von drei Bünden – dem Zehngerichtebund, dem Grauen Bund und dem Gotteshausbund – verlor Graubünden seine Selbstständigkeit und wurde zu einem Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Dieser Schritt war das Ergebnis politischer Veränderungen, die durch die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege in Europa ausgelöst wurden. Napoleon Bonapartes Forderung nach Gleichberechtigung der Untertanengebiete Graubündens und die Weigerung der Bündner, diese zu gewähren, führten dazu, dass das Veltlin und Chiavenna an Italien abgetreten wurden.
 
Wirtschaftliche Folgen und Auswanderung
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Der Verlust dieser Untertanengebiete hatte weitreichende wirtschaftliche Folgen für Graubünden. Die Untertanengebiete waren wichtige Handelspartner, insbesondere für den Getreide-, Gemüse- und Früchtehandel. Im Engadin beispielsweise waren die Menschen seit dem 17. Jahrhundert kaum mehr Selbstversorger. Der Wegfall dieser wichtigen Ressourcen führte vermutlich zu einer Hungersnot und verstärkte den Druck auf die Bevölkerung, auszuwandern. Viele Menschen sahen in der Auswanderung die einzige Möglichkeit, ihr Überleben zu sichern.
In der Fremde waren die Auswanderer jedoch oft gezwungen, niedrige, verachtete und schlecht bezahlte Arbeit zu verrichten. Trotz dieser schwierigen Bedingungen trugen die Auswanderer aus Graubünden massgeblich zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung ihrer neuen Heimat bei.
 
Das Engadin im 19. Jahrhundert: Eine landwirtschaftlich geprägte Region
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Das 19. Jahrhundert war im Engadin stark von der Landwirtschaft geprägt. Das Leben der Engadiner drehte sich grösstenteils um die Bewirtschaftung von Feldern und die Viehzucht. Fast jeder Bewohner des Tals war auf die eine oder andere Weise mit der Landwirtschaft verbunden.
In den kleinen Engadiner Dörfern waren oft mehr Kühe als Einwohner anzutreffen. Trotzdem gab es eine Begrenzung der Kuhanzahl pro Bauernfamilie, das sogenannte Kuhrecht. Dieses Recht legte fest, dass jeder Bauer nur so viele Kühe besitzen durfte, wie er mit seinem eigenen Heu über den Winter bringen konnte.
Im Gegensatz dazu gab es keine Beschränkung für die Anzahl der Schafe oder Ziegen, die eine Familie besitzen durfte. Die Schafsmilch wurde zu Käse verarbeitet, einer Spezialität, die in den Alpenregionen sehr geschätzt wurde. Im Oberengadin lag der Schwerpunkt der Landwirtschaft vor allem auf der Milchwirtschaft und der Viehzucht. Handwerk und Gewerbe spielten in dieser Zeit keine bedeutende Rolle.
 
Das Leben im Engadin des 19. Jahrhunderts: Soziale Unterschiede und Auswanderung
 
Im 19. Jahrhundert war das Leben in den Engadiner Gemeinden stark von den wohlhabenden Familien, den sogenannten Ortsbürgern, geprägt. Diese Bürger dominierten das gesellschaftliche Leben und besetzten alle wichtigen Ämter innerhalb der Gemeinden.
 
Die sozialen Unterschiede zwischen den Ortsbürgern und den übrigen Einwohnern waren beträchtlich. Zugezogene, die nicht das Bürgerrecht besassen, mussten hohe Niederlassungsgebühren bezahlen und hatten kein Mitspracherecht in Gemeindeangelegenheiten. Zudem zahlten sie höhere Steuern für Güter und Dienstleistungen. Von ihnen wurde Gehorsam gegenüber den Ortsbürgern verlangt, und bei Zuwiderhandlungen drohten ihnen Strafen oder sogar die Ausweisung aus dem Dorf.
 
Die Familien im Engadin waren in der Regel gross, mit fünf bis sieben Kindern. Jedoch konnte nur der älteste Sohn den elterlichen Bauernbetrieb übernehmen und somit eine gesicherte Zukunft im Tal haben. Für die übrigen Geschwister gab es nach der Schulzeit mit 14 Jahren kaum Perspektiven im Engadin. Viele junge Männer sahen sich daher gezwungen, ihr Glück im Ausland zu suchen.
 
Auswanderung als Notwendigkeit

Diese Jugendlichen wurden oft um ihre Jugend und ihre Ausbildung betrogen, da sie frühzeitig auswandern mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In einigen Gemeinden wanderten hauptsächlich Männer aus, während die Frauen die schwere Feld- und Hausarbeit im Engadin verrichteten. Es gab jedoch auch Frauen, die auswanderten, oft um als Dienstmägde zu arbeiten. Nur wenige von ihnen hatten das Glück, eine Familie zu gründen. Mädchen aus dem Mittelstand hatten zumindest im Winter die Möglichkeit, als Dienstmägde zu arbeiten, während sie die Sommermonate zu Hause verbringen konnten.
 
Der Weg in die Ferne war für die jungen Bündner oft beschwerlich und gefährlich. In Gruppen traten sie die Reise zu Fuss an, bepackt mit wenigen Habseligkeiten und Naturprodukten wie Käse, Fellen, Schafwolle und sogar Weinbergschnecken. Diese Güter verkauften sie unterwegs, um ihre lange Reise zu finanzieren.
 
Obwohl es Postkutschen gab, konnten sich die meisten Auswanderer diese Transportmittel nicht leisten. Der zukünftige Arbeitsort war oft schon im Voraus durch Beziehungen zu Verwandten oder Bekannten bestimmt, die bereits in der Ferne lebten und arbeiteten. Nord- bis Süditalien war ein beliebtes Ziel der jungen Emigranten, was wahrscheinlich an der Ähnlichkeit der italienischen Sprache mit dem Rätoromanischen lag. Im 17. und 18. Jahrhundert war Venedig der beliebteste Auswanderungsort der Bündner. Durch Fleiss und Ehrgeiz erlangten sie in der Lagunenstadt wirtschaftlichen Ruhm.
 
Vertreibung und neue Ziele

Ende des 17. Jahrhunderts waren von 48 Geschäften der Zuckerbäckerbranche 38 in Bündner Händen. Doch bald regten sich Neider und Gegner, und durch ein unkluges politisches Vorgehen der Drei Bünde löste Venedig ein Bündnis auf, das die Niederlassung der Bündner in Venedig und im Gegenzug die Öffnung der Bündner Pässe regelte. Zahlreiche Bündner Zuckerbäcker wurden daraufhin vertrieben und mussten sich nach neuen Arbeitsplätzen umsehen. Die Auswanderer zogen nun vermehrt nach Frankreich, Deutschland und über Preussen bis ins zaristische Russland. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 10'000 Emigranten in über 1000 Städten in ganz Europa.
 
Lehrjahre und Heimkehr

Nach der langen Reise konnten die jungen Männer eine vier- bis fünfjährige Lehre in einer Konditorei beginnen. Die Lebensbedingungen während der Lehrzeit waren oft sehr schlecht und hart. Die Arbeit begann in den frühen Morgenstunden, und die Bedingungen in den heissen und engen Backstuben waren gesundheitsschädigend. Viele junge Burschen starben in fremden Städten, fernab ihrer Heimat, teils an Überanstrengung, teils an Heimweh. Nach Abschluss der Lehre wurden die Gesellen in eine andere Stadt geschickt, wo sie selbst Geschäftsinhaber oder Mitinhaber einer Konditorei wurden. Waren die Zuckerbäcker erfolgreich, konnten sie mit dem verdienten Geld nach Graubünden zurückkehren, um eine Ehefrau zu finden. Nach der Heirat kehrte das frischvermählte Paar wieder ins Ausland zurück, bestritt gemeinsam den Lebensunterhalt und gründete eine Familie. Die Familien blieben meist über Generationen im Ausland und sicherten sich so ihren Lebensunterhalt.
 
Rückkehr in die Heimat

Erst mit dem aufkommenden Tourismus im Engadin erkannten die wirtschaftlich denkenden Auslandsbündner, die einst als Wirtschaftsflüchtlinge ausgewandert waren, neue Investitionsmöglichkeiten und kehrten in ihre Heimat zurück. Sie betrieben Handel, investierten ihr Geld in Hotels und errichteten prächtige Herrenhäuser. Das erlernte Handwerk des Zuckerbäckers wurde oft nicht mehr ausgeübt, und viele verkauften ihre Geschäfte im Ausland. Die Familien der ausgewanderten Zuckerbäcker sind in den letzten Jahrzehnten aus den Dörfern Graubündens verschwunden. Es ist jedoch wichtig, die Leistungen der Auswanderer anzuerkennen, die durch ihre Arbeit in der Fremde ein breites Wissen und neue Perspektiven nach Graubünden brachten.

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